Kultur fängt im Wirtshaus an

Nun sitze ich im Wirtshaus. Nicht mein Stammbeisl, sondern eines dieser neuen Wirtshäuser, die den Versuch wagen, den alten Charme der Wiener Beislkultur in die Neuzeit zu bringen. Aber irgendwie fehlt was, es ist sauber, es riecht rein, die Speisen sind getrüffelt, haben Schwarzbiersaft und es gibt Wasser mit Hibiskus-Minze.

Es fühlt sich komisch an, irgendwie nicht richtig, 5 verschiedene Weißweinsorten und 4 Rotwein, das sind um 4 bzw. 3 Sorten zu viel. Von einem Beisel erwartet man sich Schlichtheit, einfaches Essen, altes Essen, das immer gleiche Gulasch vom Vortag, die Semmeln frisch von heute und vom Bäcker, und wenn es später wird, sind sie zach und trotzdem perfekt zum kleinen Gulasch mit dem Seidl.

Es ist schon eine perfekt eingespielte Truppe die hier am Werk ist, viele Kellner verderben da gar keinen Brei, alle sind freundlich, zuvorkommend und wissen genau was sie tun, auch in der Küche. Alles ein wenig zu perfekt für mich, keiner der grantlnt fragt, ob er die Sau fürs Schnitzel erst abstechen muss, keiner der sich witzig fühlt und nachfragt, ob er sich sein Bier jetzn scho söba zapfn muas. Alles ist zu deutsch, so akurat, selbst Brotlaibe sind perfekt aufgestellt dem Gast zum gustieren präsentiert. Man sieht in der Küche die vielen Köche, kann ihnen bei der Arbeit zusehen. Nichts bleibt dem Gast verborgen, keine Überraschung, keine übergewichtige tschechische Oma die in der Küche werkelt.

Teller die aussehen, als wären sie diese Papierteller mit den Wellen an den Ecken, dabei sind sie aus Keramik. Es gibt sogar Spareribs, mit Braterdäpfel in einem Miniblecheimer.

Ja es ist toll, das Essen schmeckt, auch den vielen Touristen, die hier einkehren, immerhin verspricht der Name des Besitzers in so gut wie allen Reiseführern das beste Wiener Schnitzel in Wien.

Mir fehlen diese Wiener Originale. Ja genau die, die so grauslich sind, fettige Haare, alkoholgeschwängerter Atem, immer blöde Sprüche auf den Lippen und ein Slang den man kennt, oft gar nicht mag, regelrecht verachtet und trotzdem eine Faszination ausüben. Nicht nur Faszination, auch Sehnsucht, wie nach den Weihnachts- und Silvesterfolgen vom echten Wiener, der nicht untergeht.

Ich hoffe der echte Wiener wird mit dem langsamen Verschwinden seiner Beisln, Branntweinstuben und Espresso nicht auch verschwinden. Es wäre Schade nur noch den Zentralfriedhof zu haben.


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