Bis auf eine Höhe von 984 m über den Meeresspiegel muss man hinauf, um zu einem der Wahrzeichen Österreichs zu gelangen, dem Semmering. Der Name Semmering (čemerьnikъ) ist wahrscheinlich slawischen Ursprungs, die ab der Völkerwanderung in diese Gegend einwandern konnten, und bedeutet so viel wie „Nieswurzgegend“. Die Nieswurz ist übrigens ziemlich giftig und dürfte auch für den frühzeitigen Tot von Alexander dem Großen verantwortlich sein.
Ab dem 12. Jahrhundert schlängelte sich erst ein Saumweg, später dann eine Straße die Hänge hinauf zu dem Pass zwischen Niederösterreich und der Steiermark. 1841 erhielt Carl von Ghega den Auftrag eine Semmeringquerung für die Eisenbahn zu planen und die beiden bisherigen Endpunkte Gloggnitz und Mürzzuschlag miteinander zu verbinden. Ab dem Sommer 1848 bis zum 23. Oktober 1854 dauerte die Errichtung des heutigen UNESCO Weltkulturerbes, die Semmeringbahn. 20.000 Menschen waren für ihren Bau notwendig und es wurden 14 Tunnel, 16 Viadukte und über 100 Brücken dafür gebaut, alle aus Stein und keine einzige, damals schon gebräuchliche, Stahlkonstruktion. Die 41 km lange Semmeringbahn verbindet seit dem die 21 km von einander entfernt liegenden Orte Mürzzuschlag und Gloggnitz miteinander.
Der Semmering entwickelt sich
Es dauerte noch bis 1880 und brauchte einen Franzosen, ehe der Semmering aus seinem Dornröschen Schlaf wach geküsst wurde. Mit dem Ende des Baus der Südbahnstrecke von Wien nach Triest und deren Privatisierung 1859, dem Verlust von Venetien, begann unter dem Generaldirektor Friedrich Julius Schüler der Ausbau des einträglichen Touristikgeschäftes entlang der Strecken der Südbahn-Gesellschaft. 1878 das Grand Hotel Toblach, 1882 das Südbahnhotel und 1884 das Hotel Kvarner waren die Startschüsse für die Entwicklung der jeweiligen Umgebung.
Bald nach dem Südbahnhotel folgten 1888 das Hotel Panhans und 1909 das Kurhaus Semmering, die Zeit des Fin de Siècle hat die Region fest in der Hand. Die erste und auch die zweite Gesellschaft gaben sich regelmäßig hier ein Stelldichein, von Kaiser Franz Josef über Stefan Zweig, Oskar Kokoschka, Arthur Schnitzler, Max Reinhard bis hin zum gefühlt überall anwesenden Peter Altenberg.
Langsamer Niedergang
Auch während der Zwischenkriegszeit stieg die Bevölkerungszahl am Semmering konstant. Doch ab der Weltwirtschaftskrise begann die Region immer mehr an Bedeutung zu verlieren. Die Gäste blieben aus Geldmangel aus und auch die Kriegszeit, die noch den einen oder anderen illustren Gast in die Prachtbauten lockte, konnte daran nur wenig ändern. Die Bevölkerung nahm dadurch stetig ab, die Region konnte sie nicht mit Arbeit versorgen.
Die Blütezeit des Wirtschaftswunders in den 1960er und frühen 1970er Jahren war geprägt von der Abkehr der Gäste. Die großen Hotels wechselten häufig den Besitzer, wurden geschlossen oder anderweitig verwendet .
Aktuell
Als ein schon sehr alter Wintersportort begann für den Semmering der Weltcup erst 1995. Seit dem werden alle zwei Jahre die berühmten Flutlichtslaloms im Damenskizirkus ausgetragen. Eine Chance vor allem für Wiener und Ungarn die Sportatmosphäre im Winter schnell zu erreichen. Ein kurzer Ausflug nach der Arbeit, um für ein paar Stunden auf den weithin sichtbar erleuchteten Pisten Abstand vom Alltag zu gewinnen, ist durch diese Anlangen möglich. Billig ist dieses Vergnügen hingegen keineswegs.
Zusammen mit den Mountainbike Strecken, Segway Touren und anderen sportlichen Angeboten, versucht die Region ihr Image zu verjüngen. Doch irgendwie bleibt,vor allem im Sommer Eindruck, das Grün der Dächer und Wälder zusammen mit dem Schönbrunner-Gelb der Häuser, bestimmen immer noch Landschaft und Gäste. Hauptsächlich ältere Menschen scheinen das Gefühl von Nostalgie und längst vergangenen Zeiten länger als ein paar Stunden genießen zu wollen.
Bei den Jüngeren sieht man ein zielgerichtetes hinfahren, Aktivität durchführen und wieder zurück nach hause. Ein Aufenthalt über Nacht im Naherholungsgebiet ist nicht angesagt. Die wenigen Gehsteige werden sehr zeitig hochgeklappt.
Fazit
Um in die ganz eigene Schönheit und Verbindung der Dekadenz des Fin de Siècle und den bewaldeten Hügeln und Bergen der Ostalpen einzutauchen ist der Semmering wohl einzigartig. Für Eisenbahnfans und Bewunderern der Monarchie führt sowieso kein Weg am Semmering vorbei. Nimmt man sich ein wenig Zeit und spult nicht nur ein vorab geplantes Programm ab, so kann man einige Entdeckungen machen und seine Fantasie spielen lassen.